Interview des Monats: Die Juristin mit der Torgarantie 

Die Austria-Kapitänin Verena Volkmer über ihre Karriere, Ziele und das Potenzial des Frauenfußballs  

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© GEPA pictures AFBL Verena Volkmer Interview 2024

 

Seit eineinhalb Jahren sorgt sie in beinahe gewohnter Manier für die Treffer der Wiener Austria. Dabei hätte die studierte Juristin und Kapitänin der Veilchen genauso gut im Tennis landen können. Im Interview verrät die aktuelle Toptorschützin der ADMIRAL Frauen Bundesliga - Verena Volkmer - warum der Fußball für sie an erster Stelle ist und welche Ziele sie sich für die Rückrunde setzt.

 

In Deiner ersten Saison bei der Wiener Austria hast Du in siebzehn Saisonspielen zehn Tore erzielt. Nach der Hinrunde der aktuellen Saison stehst Du bereits bei neun Treffern aus neun Partien. Wie erklärst Du Dir diese Torexplosion in der aktuellen Spielzeit? 

Ich glaube es gibt immer mehrere Gründe, die hier eine Rolle spielen. Ich bin mittlerweile seit eineinhalb Jahren in Wien, musste mich am Anfang an viel Neues gewöhnen. Die Stadt, das Land, die Liga. Zu Beginn ist alles neu und unbekannt. Zudem hatten wir im Klub im Winter 2022 einen gewissen Umbruch, viele neue Spielerinnen, einen neuen Cheftrainer. Das spielt auch alles mit rein. Die persönliche Leistung ist immer auch vom Team und anderen Faktoren abhängig, auch davon, wie man sich persönlich fühlt. 

Du kommst aus Lüchow in Niedersachsen, rund 120 Kilometer südöstlich von Hamburg. Ist der „Kulturschock“ nach eineinhalb Jahren Österreich mittlerweile überwunden? 

Der war tatsächlich stärker als ich vor dem Wechsel gedacht hätte. Am Anfang dachte ich, ich geh „nur“ nach Österreich, es ist ein Nachbarland, man war dort schon etliche Male im Urlaub, spricht dieselbe Sprache, das kann nicht so viel anders sein, wie wenn man zum Beispiel nach Portugal geht. Ich musste schon feststellen, dass ich viele Dialekte nicht verstehe und viel nachfragen muss (lacht).

Der Unterschied ist also größer als gedacht?

Absolut. Die Menschen in Österreich sind in vielen Dingen gemütlicher, die Norddeutschen hingegen kommen eher zehn Minuten vor einem Termin, als eine Minute zu spät. Die Wiener im speziellen sind da lockerer - natürlich im positiven Sinne. Das macht das Eingewöhnen wiederum leichter, auch wenn mir die kühle, norddeutsche Art manchmal auch fehlt.

Heimatbesuche sind also eher eine Seltenheit?

Die Flugstrecke ist natürlich nicht so weit, dennoch muss man immer gut planen, weniger als ein Wochenende lohnt sich in der Regel nicht. Ich versuche, jede freie Minute für Familie und Freundin zu nutzen.

Mit deinem Klub, der Wiener Austria, stehst Du nach der Hinrunde mit dreizehn Punkten und Rang fünf im Tabellenmittelfeld. Wie fällt dein Resümee zur ersten Saisonhälfte aus? 

Als Team haben wir uns ehrlicherweise schon mehr vorgenommen, vor allem was die Platzierung angeht, hatten wir höhere Ansprüche und Erwartungen an uns selbst. Vor der Saison haben wir gesagt, wir wollen bei den Top-3 mitspielen und gegen unsere vermeintlichen direkten Konkurrenten punkten. Das ist uns bisher leider nicht gelungen, außer beim Remis gegen Altach am letzten Spieltag der Hinrunde. Oft entscheiden aber genau diese direkten Duelle über den Erfolg in einer Saison. Mit den Ergebnissen gegen die Teams unter uns in der Tabelle können wir zufriedener sein, hier sind wir deutlich souveräner aufgetreten. Wenn es uns in der Rückrunde auch noch gelingt, gegen die oberen Teams zu punkten, wäre das super.

Wie sieht es mit deinem persönlichen Zwischenfazit aus? Bist Du da ähnlich selbstkritisch?

Grundsätzlich geht es immer besser. Spontan habe ich schon viele Situationen im Kopf, in denen ich das ein oder andere Tor mehr hätte erzielen müssen. Als Kapitänin sehe ich es als Teil meiner Aufgabe, mein Team zum Erfolg zu führen, auch da ist natürlich noch Luft nach oben. Alles in allem war es für mich aber eine gute Hinrunde.

Welche Ziele hast Du Dir für die Rückrunde gesetzt? Sehen die Fans in der Rückrunde wieder mindestens neun Tore? 

Ich definiere meine Ziele nicht ausschließlich über Statistiken. Bei mir ist es ein Mix aus Zahlen wie zum Beispiel Tore und Vorlagen, aber auch, dass ich meiner Leistung als Kapitänin gerecht werden will, vorangehen und mein Team mitziehen möchte. Zu meiner Position als Stürmerin gehört natürlich dazu, Tore zu schießen. Tore schießen ist was super Geiles, mit dieser Einstellung gehe ich in jedes Spiel. Aber: Ich setze mich auch nicht zu sehr unter Druck, weil man sonst schnell verkrampft und das nach hinten losgehen kann. Natürlich kenne ich meine Statistik und würde mich riesig freuen, wenn ich auch am Ende der Rückrunde ganz oben in der Torschützenliste stehen würde. 

Bevor der Rückrundenstart in der Liga bei Meister St. Pölten Ende März ansteht, lautet Eure erste Aufgabe das Viertelfinale im SPORTLAND Niederösterreich Frauen Cup. Es geht auswärts zum SK Sturm Graz, welche die letzten fünf Aufeinandertreffen mit Euch für sich entscheiden konnten. Nicht die dankbarste Aufgabe zum Pflichtspielauftakt 2024, oder?

Die Winterpause war und ist schon lang, darum ist das Cup-Match und der Saisonauftakt in der Liga irgendwo noch weit weg. Wir arbeiten Woche für Woche auf dieses erste Spiel hin und können es bei all den Vorbereitungsspielen schon kaum erwarten, dass es wieder um etwas geht. Ich glaube, jeder Gegner, der es ins Viertelfinale schafft, ist ein unangenehmer Gegner. Auf Grund der Tabellensituation ist für mich Sturm eher der Favorit in dieser Partie. Vielleicht tut uns das auch ganz gut. Den Druck sehe ich eher bei Graz, das könnten wir für uns nutzen. So oder so wollen wir eine Runde weiterkommen und werden dafür alles geben.

Als Kapitänin der Wiener Austria bist Du in gewisser Weise auch Vorbild für Deine Mitspielerinnen. Viele prominente Fußballerinnen betonen oft, dass Ihnen in Ihrer Jugend die weiblichen Vorbilder gefehlt haben – so auch zuletzt die sechsfache Weltfußballerin Marta. Bist Du aus einer Generation Spielerin, bei der das schon anders ist? 

Natürlich habe auch ich zuerst bei den Jungs angefangen zu spielen, bis es irgendwann geheißen hat, dass es ja auch Mädchenteams gibt. Erst wollte ich gar nicht zu den Mädchen wechseln, weil ich dachte, die können das gar nicht so gut, da wurde ich natürlich schnell eines Besseren belehrt. Meine Eltern haben mich früh mit ins Stadion zu den Spielen von Turbine Potsdam oder dem Frauen-Nationalteam genommen. Mit zehn Jahren war Conny Pohlers mein absolutes Idol. Der große Unterschied damals war, dass wir als Kinder nach dem Spiel einfach auf das Feld für Autogramme gestürmt sind, das wäre bei der Bundesliga der Herren undenkbar gewesen, auch damals schon. Für mich war der Frauenfußball immer viel nahbarer. 

Dabei sind Vergleiche ja genau das, worauf der Frauenfußball gar nicht aus ist. 

Das stimmt. Ich halte es für wenig zielführend, wenn man kommt und sagt „Männerfußball ist schneller und attraktiver“. Auch in anderen Sportarten gibt es Unterscheide, wie zum Beispiel im Handball oder der Leichtathletik. Eine Sprinterin läuft die 100 Meter auch minimal langsamer als die männlichen Sprinter. Da werden meiner Meinung nach aber nicht so oft Vergleiche gezogen. 

Gibt es für Dich Gründe, woran das liegen könnte? 

Fußball polarisiert seit jeher die Massen auf der ganzen Welt und hat eine ungemeine Strahlkraft. Wenn jetzt der Frauenfußball kommt und Aufmerksamkeit und Präsenz fordert, scheint das vielen ein Dorn im Auge zu sein. Dabei geht es uns ja vielmehr zum Beispiel auch darum, den Frauenfußball so professionell ausüben zu können, dass man als Profispielerin davon leben kann und eben kein zweites Standbein benötigt. Wenn das gelingt, wird sich das auch in der Leistung widerspiegeln und Spielerinnen, Klubs und Ligen verbessern und weiterentwickeln. Wir wollen ja niemandem etwas wegnehmen, sondern einfach das tun, was wir lieben und dafür die nötige Akzeptanz bekommen. 

Bist Du optimistisch, dass diese Barrieren nach und nach aufgebrochen werden?

Auf jeden Fall. Wenn man sieht, dass der Frauenfußball es schon jetzt schafft, international die großen Bühnen zu füllen, bin ich mir sicher, dass das auch in Zukunft so sein kann. Dafür gilt es, den Frauenfußball noch mehr ins Rampenlicht zu stellen, denn ich bin mir sicher, dass viele noch gar nicht wissen, dass es ihn gibt.   

Warum eigentlich Fußball? Was macht der Sport für Dich aus? 

Ich bin durch meinen vier Jahre älteren Bruder zum Fußball gekommen. Als er begonnen hat zu spielen, war für mich klar, dass ich das auch machen will. Aber ich habe auch anderes ausprobiert: Tennis, Tanzen oder Musik. Am Ende des Tages war Fußball immer das, was am meisten Spaß gemacht hat und womit ich gefühlt 24 Stunden, sieben Tage die Woche meine Freizeit verbracht habe. Der größte Pluspunkt im Fußball ist für mich, dass man in einem Team gemeinsam etwas erarbeitet und verschiedene Charaktere alle durch eine gemeinsame Sache verbunden sind. Man kann zusammen so viel schaffen, Erfolge feiern aber auch aufeinander angewiesen sein. Für mich gibt es nichts Schöneres.  

Und dennoch hast Du nach der Schule nicht alles auf eine Karte gesetzt, wie es viele andere tun!

Ich habe mich mit fünfzehn Jahren entschieden, auszuziehen und ins Internat zu gehen. Nach dem Abitur habe ich angefangen, neben dem Fußballspielen in Bremen an der Uni Jus zu studieren, habe 2020 das Studium erfolgreich abgeschlossen. Nach zwei weiteren Jahren Referendariat war ich mit der gesamten Ausbildung fertig, genau rechtzeitig vor meinem Wechsel zur Austria nach Wien.  

Dein sportlicher Ehrgeiz hat Dir somit auch beim Studium geholfen? 

Ich denke ja. Es ist schon mein eigener Antrieb gewesen, das durchzuziehen. Auch wenn meine Eltern natürlich immer gefordert haben, dass Schule und Ausbildung an erster Stelle stehen müssen. Viele haben gezweifelt, dass ich beides unter einen Hut bekommen kann und manchmal habe auch ich ehrlicherweise nicht gewusst, ob das Fußballspielen oder das Studium gerade meine Nebentätigkeit ist. Aber wenn man etwas erreichen will, findet man einen Weg. Ich bin froh, dass ich jetzt einmal den Fokus nur auf den Fußball legen kann, das genieße ich sehr. 

Die deutsche Frauen-Bundesliga kennst Du gut, hast für Jena und Bremen über 70 Spiele absolviert. Welchen Stellenwert schreibst Du der ADMIRAL Frauen Bundesliga zu? 

Ich sehe auf jeden Fall großes Potenzial, weil die Ausbildungen in den Klubs immer besser werden. Zu meiner Zeit in Deutschland sind schon regelmäßig Spielerinnen aus Österreich nach Deutschland gekommen, die dann in der Bundesliga voll eingeschlagen haben. Ich denke, dass die Strukturen immer besser werden und dieser Prozess auch immer weiter vorangetrieben werden muss. Deutschland hat damit vermutlich etwas früher angefangen und ist in diesem Prozess weiter, aber wenn die Klubs in Österreich so weitermachen, glaube ich, dass die Liga noch viel mehr Potenzial hat. Einen wichtigen Faktor spielen da natürlich die namhaften, großen Klubs.

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