Sportdirektor Schöttel: "Stehen kurz davor!"

ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel im ausführlichen Interview

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© ÖFB | Christopher Kelemen Corner-Interview_Schöttel_08012024

Das Jahr 2023 hatte aus ÖFB-Sicht einige Highlights zu bieten. Sportdirektor Peter Schöttel hat sich Zeit genommen und lässt im Gespräch mit dem ÖFB Corner das vergangene Jahr noch einmal Revue passieren. Im Interview spricht er auch über das neu gewonnene Selbstverständnis und seine Vision für 2024.

ÖFB Corner: Peter, es gibt in der jüngeren ÖFB-Geschichte nicht viele derart erfolgreiche Jahre…
Peter Schöttel: … auch in der älteren nicht, bei aller Bescheidenheit! (lacht) 

Das stimmt. Wenn Du jetzt auf dieses sehr bewegte Jahr zurückblickst – was waren Deine Highlights und Meilensteine?
Wenn wir auf Nationalteam-Ebene beginnen, ist klar, dass es ein tolles Jahr war, und zwar für alle Mannschaften. Besonders schön ist, dass man bei allen sieht, was für ein Spirit herrscht. Diese enge Verbindung Spieler/Trainer/Betreuer ist ein Markenzeichen von uns geworden. Diese Gemeinschaft wird durch die Erfolge, die wir gefeiert haben, noch enger zusammengeschweißt. Die Nationalteams sind de facto das Endprodukt des Ganzen. Für das Erbringen der Leistung ist aber auch ausschlaggebend, dass du die besten Spieler in bestmöglicher Verfassung zur Verfügung hast. Das war beispielsweise im Vorjahr nicht der Fall. Wir hatten sehr viele Verletzte und konnten nicht in Bestbesetzung antreten. Da ist es auch möglich, dass man in der Vorrunde ausscheidet. Heuer waren es auch sehr enge Spiele, aber wir sind durchwegs als Sieger vom Platz gegangen und haben uns daher eine gute Ausgangsposition für die Auslosung der Eliterunde geschaffen. Wir sind guter Dinge, dass wir nächstes Jahr bei der einen oder anderen EM dabei sein werden.

Die Kugel ist 2023 gefühlt fast immer auf die Seite des ÖFB gefallen. Teilst Du diese Ansicht?
Es waren viele Dinge, die für uns sehr gut gelaufen sind. Trotz dieser souveränen Qualifikation des Nationalteams der Männer hatten wir schon auch immer Szenen, wo es im richtigen Moment in die richtige Richtung gegangen ist. Aber auch hier haben wir mit unserer Geschlossenheit und unserem Teamspirit überzeugt. Wir haben das Glück durch unser neu gewonnenes Selbstverständnis erzwungen. Es ist gerade eine richtig angenehme Phase bei uns in der Direktion Sport, weil wir alle miteinander glauben, dass wir gut unterwegs sind und etwas gewinnen können. Da rede ich nicht nur vom Nationalteam der Männer, wo wir sehr selbstbewusst sind. Wir haben bei allen unseren Teams gesehen, dass es jeder Gegner schwer hat, wenn alles zusammenpasst. Wenn du Erfolge hast, macht das etwas mit dir. Wenn du nicht nur darüber sprichst, sondern wirklich davon überzeugt bist, dass etwas möglich ist. Dann sollten wir irgendwann auch bei einer EM – egal mit welchem Team – wirklich einmal ganz weit kommen. Ich glaube, dass wir kurz davor stehen. Wir wollen 2024 Großes erreichen!

Ein leuchtendes Beispiel für diese Entwicklungen ist auch das Frauen-Nationalteam, das in einer schweren Gruppe der Top-Gruppe A der UEFA Women’s Nations League stark performt hat.
Die Mannschaft hat sich in den letzten Jahren fußballerisch enorm weiterentwickelt. Das sieht man an weitaus längeren Ballbesitzzeiten. Wir haben immer wieder Phasen in den Spielen, in denen wir dominanter und besser sind als Nationen wie Frankreich, Norwegen und Portugal. Irene Fuhrmann hat das mit ihrem Staff nach dem personellen Umbruch in den letzten Monaten gut hinbekommen. Wenn man viele Stützen verliert, ist es nicht selbstverständlich, dass es so erfolgreich oder sogar noch erfolgreicher weitergeht. Da ist es natürlich gut, dass die jungen Spielerinnen den arrivierten Akteurinnen richtig Druck machen. Wir haben eine gute Mischung. Auch die aktuellen Jahrgänge der U17 und U19 stimmen mich richtig zuversichtlich. Hier werden wir in den nächsten Jahren einen weiteren Schritt nach vorne machen. Da kommen richtig gute Spielerinnen nach. Ich denke, dass wir bei den Mädchen jetzt schon zur europäischen Spitze gehören.

Um das zu schaffen, ist auch viel Planungsarbeit im Hintergrund angesagt.
Was wir jetzt besprochen haben ist das Produkt aller unserer Abteilungen. Dass wir im Frauenfußball in der Administration, der Ligen-Betreuung, in der Sichtung und auch im Bereich Breitenfußball die nächsten Schritte gesetzt haben ist ganz, ganz wichtig. Dass wir im Bereich der Talenteförderung dieses Zwei-Stufen-Modell mit Nachwuchszentren und Akademien in einem Pilotprogramm haben, ist ein weiterer Meilenstein. Wir haben vor einem Jahr die kleinen Wettbewerbsformen eingeführt, die vom überwiegenden Teil gut angenommen wurden. In der Trainer-Akademie haben wir die Strukturen in den letzten Jahren verändert und fahren sehr gut damit. Wir sind durch die Installierung einer eigenen Abteilung für Wissenschaft, Analyse und Entwicklung, die alle Prozesse in allen Abteilungen begleitet, sehr gut unterwegs.
Bei allen Erfolgen, die wir in diesem Jahr hatten, bin ich auf das Klima, das wir intern haben, am meisten stolz. Es arbeiten alle gerne miteinander, alle sind hungrig und wollen immer mehr. Wir haben sehr viel umgesetzt in den letzten Jahren. Es werden in Think Tanks Dinge entwickelt und es ist eine große Freude für mich, mit so qualifizierten Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten.

© GEPA pictures Corner-Interview_Schöttel_08012024_01

Was kann das im nächsten Jahr noch toppen, wo kann man noch weitere Schritte gehen?
Ich hoffe wirklich, dass wir bei einer Endrunde eine gute Rolle bis zum Ende des Turniers spielen können. Ich glaube, dass das möglich ist. Es wäre schön, wenn uns das 2024 mit einer oder mehreren Mannschaften gelingt. Das Nationalteam ist mit dem Auftritt bei der EURO 2024 natürlich das Aushängeschild, und ich bin überzeugt, dass wir hier eine gute Figur abgeben werden.

Stichwort EURO: Wie bitter ist die Kreuzband-Verletzung von Kapitän David Alaba?
Es tut mir in erster Linie für ihn persönlich sehr, sehr leid, weil ziemlich sicher ist, dass die Verletzung mit einer langen Pause verbunden ist. Für Real Madrid und für uns ist es in den nächsten Monaten ein ganz schmerzlicher Verlust. In erster Linie muss man aber an ihn denken. Wir wünschen ihm alles Gute und dass er so rasch wie möglich wieder auf dem Platz stehen kann. 

Im Jänner ist Baustart für den ÖFB-Campus. Wie wichtig ist das Infrastrukturprojekt für die Direktion Sport?
Wir freuen uns auf eine neue gemeinsame Heimat, auf die wir lange gewartet haben. Jetzt ist es soweit. Das wird nach innen und nach außen ein großer Impuls sein. Es ist für den gesamten Verband in den nächsten Monaten und Jahren ein Riesen-Projekt, in der Instandsetzung vieles richtig zu machen und dann auch in der täglichen Arbeit diese Top-Bedingungen zu nutzen. Da sind wir alle gefordert.

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